Janteloven, auf Deutsch Das Gesetz von Jante, ist ein kulturelles Konzept, das aus der Feder des dänisch-norwegischen Schriftstellers Aksel Sandemose stammt. Er formulierte es erstmals 1933 in seinem Roman En flyktning krysser sitt spor (Ein Flüchtling kreuzt seine Spur).
- Der Ursprung von Janteloven
- Die Zehn Gesetze von Jante
- Die Botschaft hinter Janteloven
- Janteloven in der skandinavischen Gesellschaft
- Internationale Parallelen zu Janteloven
- Tall Poppy Syndrome (Australien und Neuseeland)
- „Der Nagel, der herausragt, wird eingeschlagen“ (Japan)
- „Krabbenmentalität“ (Philippinen und andere Länder)
- Kritik an Janteloven und die Rückkehr zur Individualität
- Die Bedeutung von Janteloven heute
Dieses „Gesetz“ ist kein tatsächliches juristisches Regelwerk, sondern eine sozialpsychologische Satire, die die Tendenz beschreibt, individuelle Leistungen und Selbstbewusstsein in der Gemeinschaft zu unterdrücken. Sandemose nutzte Janteloven, um die neidische und kleinliche Seite des menschlichen Zusammenlebens zu kritisieren – eine Haltung, die nach seiner Meinung tief in der skandinavischen Gesellschaft verwurzelt war.
Der Ursprung von Janteloven
Die Idee zu Janteloven entstand in der fiktiven Stadt Jante, die Sandemose nach seinem Heimatort Nykøbing Mors in Dänemark modellierte.
Jante verkörpert für ihn das Bild einer engen, provinziellen Gemeinschaft, in der Anpassung über alles geht und in der jeder Versuch, sich hervorzuheben, mit Missgunst und Ablehnung bestraft wird.
Sandemose schrieb später:
„Jante und Nykøbing sind dieselbe Stadt – zumindest was Umgebung, Natur und die unbelebten Dinge betrifft. Die Menschen könnte man ebenso gut in Ribe oder Arendal ansiedeln.“
Damit deutete er an, dass Jante kein geografischer Ort, sondern ein universelles Symbol sei – ein Spiegelbild menschlicher Gesellschaften, die sich davor fürchten, dass jemand „zu viel“ wird.
Die Zehn Gesetze von Jante
Im Roman formulierte Sandemose zehn ungeschriebene Regeln – die sogenannten Jante-Gesetze –, die das soziale Klima der Stadt bestimmen. Sie lauten:
- Du sollst nicht glauben, dass du etwas bist.
- Du sollst nicht glauben, dass du so viel wert bist wie wir.
- Du sollst nicht glauben, dass du klüger bist als wir.
- Du sollst dir nicht einbilden, dass du besser bist als wir.
- Du sollst nicht glauben, dass du mehr weißt als wir.
- Du sollst nicht glauben, dass du wichtiger bist als wir.
- Du sollst nicht glauben, dass du etwas kannst.
- Du sollst dich nicht über uns lustig machen.
- Du sollst nicht glauben, dass jemand sich um dich kümmert.
- Du sollst nicht glauben, dass du uns etwas beibringen kannst.
Später fügte Sandemose ein elftes Gebot hinzu:
„Du glaubst vielleicht nicht, dass ich etwas über dich weiß – aber ich weiß es.“
Diese letzte Regel betont die ständige soziale Kontrolle: In Jante entgeht niemand dem Urteil der Gemeinschaft.
Die Botschaft hinter Janteloven
Sandemose beabsichtigte mit diesen Gesetzen keine Belehrung, sondern eine Satire auf gesellschaftliche Enge und Neid. Für ihn war Janteloven Ausdruck einer tiefsitzenden menschlichen Schwäche: der Unfähigkeit, den Erfolg oder das Selbstbewusstsein anderer zu ertragen.
Er kritisierte damit eine Gesellschaft, in der Gleichheit über alles gestellt wird, selbst auf Kosten von Individualität, Kreativität und Ehrgeiz. Statt echte Gleichberechtigung zu fördern, erzeugt Janteloven eine Kultur der Mittelmäßigkeit und Anpassung.
Janteloven in der skandinavischen Gesellschaft
Seit seiner Veröffentlichung ist Janteloven zu einem zentralen Begriff der skandinavischen Mentalitätsgeschichte geworden. In Dänemark, Norwegen und Schweden dient er bis heute als Erklärungsmodell für bestimmte gesellschaftliche Haltungen:
- die Betonung von Bescheidenheit,
- die Abneigung gegen Selbstlob oder Eigenwerbung,
- die Angst, „aufzufallen“,
- und die Skepsis gegenüber individuellem Erfolg.
Viele Skandinavier erkennen in Janteloven einen Teil ihrer kulturellen Identität – einerseits positiv, weil er den Wert der Gemeinschaft und des Gleichseins betont; andererseits negativ, weil er Eigenständigkeit und Innovation hemmt.
Das „Gesetz von Jante“ erklärt, warum in diesen Gesellschaften Erfolg oft nur vorsichtig gefeiert und Stolz leicht als Arroganz interpretiert wird.
Internationale Parallelen zu Janteloven
Obwohl Janteloven aus Skandinavien stammt, ist das dahinterliegende Phänomen weltweit zu beobachten. Viele Kulturen haben ähnliche Sprichwörter oder gesellschaftliche Normen, die individuelles Hervortreten missbilligen.
Tall Poppy Syndrome (Australien und Neuseeland)
In Australien und Neuseeland spricht man vom „Tall Poppy Syndrome“ – dem „Syndrom der hohen Mohnblume“. Die Metapher lautet: Die Blume, die höher wächst als die anderen, wird abgeschnitten. Gemeint ist, dass erfolgreiche Menschen von der Gemeinschaft „heruntergeschnitten“ werden.
„Der Nagel, der herausragt, wird eingeschlagen“ (Japan)
Ein japanisches Sprichwort lautet:
„Der Nagel, der herausragt, wird eingeschlagen.“
Es drückt dieselbe Idee aus: Konformität ist wichtiger als Individualität, und wer zu sehr auffällt, muss wieder „auf Linie“ gebracht werden.
„Krabbenmentalität“ (Philippinen und andere Länder)
In einigen Kulturen, etwa auf den Philippinen, spricht man von der „Krabbenmentalität“: Wenn eine Krabbe versucht, aus einem Eimer zu entkommen, ziehen die anderen sie wieder hinunter – eine treffende Metapher für Neid und Konkurrenz innerhalb sozialer Gruppen.
Kritik an Janteloven und die Rückkehr zur Individualität
Während manche Janteloven als Ausdruck sozialer Demut und Gleichheit verteidigen, sehen Kritiker darin eine hemmende Kraft.
Sie argumentieren, dass Janteloven:
- Ehrgeiz und Motivation schwächt,
- Kreativität und Selbstentfaltung behindert,
- Konformität fördert und
- Exzellenz durch Mittelmaß ersetzt.
In den letzten Jahren hat sich in Skandinavien – besonders unter Künstlern, Unternehmern und jungen Menschen – eine Gegenbewegung gebildet. Sie fordert, Selbstvertrauen, Stolz und Individualität wieder als positive Werte zu begreifen.
Slogans wie „Vergiss Janteloven!“ oder „Brich das Gesetz von Jante!“ stehen symbolisch für den Wunsch, sich von dieser unsichtbaren gesellschaftlichen Fessel zu befreien.
Die Bedeutung von Janteloven heute
Aksel Sandemoses Gesetz von Jante ist mehr als nur Literatur – es ist eine zeitlose Gesellschaftsanalyse. Es zeigt, wie stark soziale Kontrolle, Gruppendruck und Neid das Verhalten von Menschen prägen können.
Auch nach fast einem Jahrhundert bleibt Janteloven relevant. Es erinnert uns daran, dass wahre Gleichheit nicht bedeutet, alle gleichzumachen, sondern allen die Freiheit zu geben, unterschiedlich zu sein.
In einer Welt, in der Erfolg oft Misstrauen hervorruft und Selbstbewusstsein als Überheblichkeit gilt, mahnt uns Janteloven, das richtige Gleichgewicht zu finden: zwischen Bescheidenheit und Selbstachtung, zwischen Gemeinschaftssinn und Individualität.
Nur wenn wir lernen, einander zu fördern statt zu bremsen, können wir das Gegenteil von Jante verwirklichen – eine Gesellschaft, die Vielfalt, Kreativität und Mut feiert.